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Klavier

Die Vergänglichkeit des musikalischen Moments

Ich sitze am Klavier und spiele, wie fast jeden Tag. Die Noten perlen dahin. Die Melodie schlängelt sich über die Tasten. Sie wandert nach oben. Sie wird lebhaft, im nächsten Moment ganz still. Ein Augenblick der Ruhe tritt ein, um gleich darauf von einer neuen Idee zur Seite gewischt zu werden. Ein Basslauf lässt die Sehnsucht nach dem musikalischen Glück erahnen und wird von einer lyrischen Antwort der rechten Hand, die das Bb sanft umspielt beantwortet.

Der Fluss der Improvisation

Der Fluss des musikalischen Moments ist unendlich. Ich spiele den Jazz-Standard „Summertime“ seit mindestens 25 Jahre. Er besteht aus einer eingängigen Melodie und wunderbaren Harmonien. Ich habe ihn sicher schon mehr als tausendmal gespielt und trotzdem wird er nie langweilig.

Jede Improvisation ist einzigartig. Manchmal geht sie leicht von der Hand, wie ein fröhliches Spiel kleiner Kinder. An anderen Tagen bleibt alles schwer und mühselig. Die Melodie kreist um sich selbst, bleibt unvollständig und bruchstückhaft. Nur langsam findet sie zu sich.

Die Musik als Spiegel des Lebens

In diesen Momenten spiegelt sich das Leben in der Musik. Manchmal ist es schön, anderntags grau und aussichtslos, aber nie kontrollierbar und zugleich in ständiger Veränderung. Es kommt und geht und wir mit ihm. Morgen wartet schon die nächste Improvisation auf mich, um in ihrem Entstehen bereits für immer zu vergehen.

Urban Regensburger
Jazz-Pianist

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